„Geraubt. Entwurzelt.“ ist eine Bildungsausstellung über Kinder, die während des Zweiten Weltkriegs aus den deutsch besetzten Gebieten des mittel- und osteuropäischen Raums nach Deutschland in das Kerngebiet des damaligen Deutschen Reiches entführt und zwangsgermanisiert wurden.
Ca. 50.000 – 200.000 Kinder aus Polen, der Slowakei, Tschechien und der Ukraine wurden durch die Nationalsozialisten geraubt und ins Deutsche Reich gebracht, um sie im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie zu germanisieren. Eine Vielzahl dieser Kinder, die der NS-Rassenideologie zufolge den Ansprüchen der Nationalsozialisten genügten, wuchs in deutschen Adoptiv- oder Pflegefamilien auf und sind sich zum Teil bis heute ihrer wahren Identität nicht bewusst. Diese Kinder sollten der „Anforderung“ der sogenannten deutschen Rasse dienen und ihr Raub wurde maßgeblich von der SS unter Heinrich Himmler und der Organisation „Lebensborn“ organisiert. Carolin Wenzel, pädagogische Mitarbeiterin der Akademie am Tönsberg, die diese Ausstellung in ihren Räumlichkeiten beherbergt, hat in der vergangenen Woche Workshops mit Schülerinnen dreier 10. Klassen und des Q1 Geschichtsleistungskurses durchgeführt. Ausgehend von persönlichen Vorstellungen, was eine gute Kindheit ausmache, setzten sich die Schülerinnen mit den vier Grundprinzipien – Diskriminierungsverbot, Recht auf Leben und persönliche Entwicklung, Kindeswohlvorrang und das Recht auf Beteiligung der UN-Kinderrechtskonvention auseinander. Im Anschluss daran tauchten die Jugendlichen in die fiktiven Lebensgeschichten zweier geraubter Kinder, die stellvertretend für die erschütternden und berührenden Lebensgeschichten von unzähligen vom NS geraubten Kindern stehen, ein. Es galt Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten, ihren Kampf um Anerkennung als Opfer des NS-Regimes nachzuvollziehen und sich mit ihrer tiefen Entwurzelung als geraubte Kinder zu konfrontieren.



Janeks und Marysias Leben mit den seit 1990 geltenden Kinderrechtskonventionen zu ver-gleichen und einen aktuellen Bezug zu den im Zuge des russischen Angriffskriegs in den in der Ukraine geraubten Kindern herzustellen, schlug zum einen den Bogen zum Anfang des Workshops. Zum anderen ermöglichte der Gegenwartsbezug den Schülerinnen, zu reflektieren, dass Kinderrechtsverbrechen auch in aktuellen Kriegen ein Instrument einer verbrecherischen Kriegsführung sind. Wir danken Carolin Wenzel noch einmal sehr herzlich für ihr Engagement und die Durchführung eines für unsere Schülerinnen erkenntnisreichen und auseinandersetzungsintensiven Workshops.
